Wobei sich für Schlangen, wie auch für einige andere westdeutsche Genossen, gerade in der Nahostfrage innerparteilicher Pluralismus und Diskurs darin erschöpfen, den von der Hamas geführten „Freiheitskampf“ der Palästinenser gegen eine imperialistische Politik Israels und der USA zu unterstützen. Nicht erst seit dem innerlinken Streit über die Teilnahme prominenter Genossen an den sogenannten „Gaza-Flotillen“ und den darauf folgenden klaren Beschlüssen der Partei gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen, schwellt dieser unterdrückte Konflikt zwischen „Israelfeinden“ und „Israelfreunden“ unterschwellig weiter. Zur weiteren Lektüre sei hier auf unsere Artikel zum Thema verwiesen.
Der „Fall Schlangen“ wäre an sich unbedeutend. Denn natürlich sollte gerade eine deutsche Linke keine politische Heimat für Menschen sein, die in der Öffentlichkeit den Begriff „Zionazi“ nutzen (wie es die Antragsteller belegen) oder die Aktivitäten des israelischen Staates mit dem faschistischen Terror Nazideutschlands gleichsetzen. Und natürlich würde man davon ausgehen, dass eine Landesschiedskommission bei einer solch eindeutigen Beweislage einen Parteiausschluss verfügt. Bemerkenswert wird dieser Vorgang dadurch, dass die zuständige Schiedsgerichtsbarkeit im hessischen Landesverband den Antrag auf Ausschluss mit der Begründung zurückweist, dass es nicht Aufgabe der Landesschiedskommissionen sei, zu beurteilen welche Positionen innerhalb des Nahostkonfliktes zu bevorzugen oder abzulehnen sind.
Erstaunlich wenn man in Betracht zieht, dass in der Folge der Antisemitismusdebatte des letzten Jahres die Führungsgremien der Partei eine klare Grenze gezogen haben, wo israelkritische Äusserungen von Genossen enden und linker Antisemitismus beginnt. Der Umgang der hessischen Schiedskommission mit diesem Thema lässt vermuten, dass auch aufgrund der anhaltenden Sklerose des westdeutschen Parteikörpers der bislang weiter hinter den Kulissen ausgetragene Konflikt um einen Antisemitismus von links wieder stärker in den Vordergrund tritt. Im Zuge eines dringend erforderlichen politischen und organisatorischen Neustarts der gesamtdeutschen Linken sollte die Parteiführung dieses Thema nicht allein der Schiedsgerichtsbarkeit überlassen oder es aus Gründen falsch verstandener Solidarität mit prominenten Fürsprechern solcher Positionen im westdeutschen Apparat versuchen zu verharmlosen. Ein klares Urteil der Genossen der Bundesschiedskommission dürfte eine erste Orientierung bieten, in welche Richtung sich die Partei im Minenfeld zwischen linkem Pluralismus und Antisemitismus in der Zukunft orientieren wird.
(mb)
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