Im Anschluss an die alljährliche Ehrung für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht traf sich die deutsche Linke zum Jahresauftakt in der Berliner Volksbühne. Zwar hatten Günter Wallraff und der Hoffnungsträger der Europäischen Linken Alexis Tsipras kurzfristig ihre Teilnahme an der vom Bundestagsabgeordneten und Musikmanager Diether Dehm unter dem Motto „Ohne Bankenmacht – Friede den Hütten“ organisierten Veranstaltung abgesagt. Aber zumindest konnte man sich mit Katja Ebstein und den Botschaftern von Kuba und Venezuela schmücken. Angesichts des Zwistes um das Europawahlprogramm und den auf dem kommenden Parteitag drohenden Streit darüber, übte man sich am Rosa-Luxemburg-Platz ohnehin in demonstrativer Einigkeit.

So liess man sogar Oskar Lafontaine, der sich derzeit eigentlich nur noch mit dem Fraktionsvorsitz im Saarland und der Karriereplanung seiner Lebensgefährtin beschäftigt, den Raum und das Mikrofon, um sich in einer seiner bekannt populistischen Reden über die Krise in Europa, das deutsche Lohndumping als deren Auslöser und den „Schwachsinn“, dass Die Linke europafeindlich sei, auszulassen. Wagenknecht selber nutzte die Veranstaltung und die Stimmung um ihren gestrigen Anflug von Kompromissbereitschaft etwas abzumildern. Wer europäische Werte und Ideale ernst nehme, der müsse die EU in ihrer heutigen Form kritisieren, so Wagenknecht in ihrer Rede.

Dass Parteichef Riexinger Spekulanten, Reiche und die Chefs der europäischen Regierungen als die eigentlichen Feinde Europas ausmacht, dürfte ohnehin eher der vorrevolutionären Situaton im restlos ausverkauften Theatersaal geschuldet gewesen sein und nicht einer differenzierten Analyse der derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Situation. Spätestens auf dem Parteitag im Februar wird diese einende Stimmung zwischen den auseinanderstrebenden Flügeln der Sozialisten wieder verflogen sein. Eher noch dürfte aber bereits am morgigen Montag nur noch ein Kater an das linke Gruppenkuscheln zwischen Radikalen und Reformern erinnern.
(mb)

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Manuel Böhm

Jahrgang 1970. Lebt seit Oktober 2024 auf Malta, davor in Göttingen, Hannover und Berlin. Bis 2005 Mitglied der SPD. Danach Eintritt in die WASG, dort Mitglied des Kreisvorstandes bis 2006. Mitarbeit im Bündnis für Soziale Gerechtigkeit zur Kommunalwahl 2006 als breite linke Alternative zum PDS-dominierten Linksbündnis. Nach Gründung der LINKEN in 2007 Übernahme von Funktionen auf Ebene seiner Basisorganisation. Austritt aus der Partei Die Linke mit seinem Wegzug aus der Bundesrepublik.

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