
Feministinnen stehen im öffentlichen Diskurs regelmäßig in der Kritik – Borniertheit, Zerrissenheit und ihre angebliche Überflüssigkeit werden ihnen vorgeworfen. Gegen ein solche Kritik steht der Sammelband Feminismen heute. Positionen in Theorie und Praxis, der mit einer Reihe an Herausgeberinnen (nämlich Yvonne Franke, Kati Mozygemba, Kathleen Pöge, Betina Ritter und Dagmar Vernohr) nahezu die ganze Bandbreite des linken Feminismus abdecken möchte.
Der Sammelband entstand während des Workshops Wissenschaftlerinnenwerkstatt der Hans-Böckler-Stiftung. Thematischer Ausgangspunkt des Buches sind innerfeminsitische Diskussionen, um gegen die Rhetorik des homophoben Antifeminismus vorzugehen. Basis des Ganzen ist ein kaleidoskopischer Blick auf die Pluralität und Heterogenität der Bewegung Feminismus. Genau deswegen entschieden sich die Autorinnen den Terminus Feminismen zu verwenden, also die Pluralform, da es den idealtypischen Feminismus nach zahlreichen Generationswechseln und Ausdifferenzierungen nicht mehr gäbe. Als Gemeinsamkeit gelten hier die Rechte von Frauen, die Emanzipationsbestrebungen und die feministische Solidarität.
Dazu ist das Buch in drei Hauptkapitel unterteilt, nämlich Ansätze und Perspektiven, Themenfelder sowie Ausdrucksformen, und das Werk umfasst dabei insgesamt 27 Beiträge verschiedenster feministischer Autorinnen aus den Bereichen Kultur und Wissenschaft. Leider findet sich kein einziger Mann unter den Autoren.
Im ersten Teil geht es etwa sehr viel um die Queer-Theorie, den marxistischen oder postkolonialen Feminismus, um Geschlecht und Behinderung, sowie um den Islam und das weibliche Geschlecht. Das Kapitel ist ergo vor allem von linken politischen Denkern, wie Karl Marx, Antonio Gramsci, Michel Foucault und Judith Butler geprägt. Der zweite Teil handelt etwa von der Körperkultur, den Thema Mutter, der Verbindung von Geschlecht und Ökonomie oder der Nutzung neuer digitaler Medien, wie es exemplarisch auf Twitter der #aufschrei über die sexuelle Gewalt und Belästigung gegen Frauen tat. Und der letzte Part handelt von Bewegungs- und Kunstformen, etwa über feministische Filme oder den Queer-Rap, wie ihn Sookee betreibt, die auch den entsprechenden Artikel hierzu lieferte (zusammen mit Anna Groß), über die Bewegung von schwarzen Frauen etc.
Kritik des neoliberalen Feminismus
Der Band möchte gar nicht allumfassend und erschöpfend das Thema gegenwärtiger Feminismen behandeln. Er gibt jedoch schon eine sehr breite, detaillierte und umfassende Analyse aktueller feministischer Positionen und Phänomene. In der Tat fehlen etwa sprachphilosophische Beiträge, und exkludiert werden auch konservative und neoliberale Feminismen, da diese heftig in der Kritik der Autorinnen stehen. Vor allem der neoliberale Feminismus wird in vielen Beiträgen en passant gegeißelt, da hier die Frau mit den Mythen vom Aufstieg in einer sozialdarwinistischen und unsolidarischen Welt geködert werde und für die Autorinnen primär die Schwesternschaft, die feministische Solidarität zählt. Dadurch werden vor allem linke Feminismen in dem Band behandelt, analysiert und forciert.
Weitgehend sind die Analysen sehr solide, wenn man sich bewusst ist, dass alle Aufsätze aus einer dezidiert feministischen, obgleich häufig reflektierten und selbstkritischen Perspektive geschrieben sind. Bedenklich ist eigentlich nur Kathrin Klausings dumme, politisch korrekte Idee, der Islam und der Feminismus seien kompatibel, so als ob nicht nahezu alle Religionen, inklusive der drei großen Monotheismen, nicht das weibliche Geschlecht diskriminiert und unterdrückt hätten beziehungsweise in ihren Diskursen dezidiert misogyne Positionen zementieren würden. Die anderen Beiträge sind dafür durchweg als gelungen, informativ und kompetent zu titulieren.
Stil und Duktus der Artikel sind von unterschiedlicher Qualität, also sehr durchwachsen, jedoch alles in allem gut und annehmbar lesbar, zumal es sich hierbei um einen interdisziplinären Band handelt, der vom Leser keine Expertise auf jedem Feld erwarten kann. Partiell wird der Lesefluss nur durch das korrekte Gendern gestört. Denn schon das Konstrukt er Frau wird hier kritisch hinterfragt, Es heißt selten einfach Frau in den Texten, sondern eher Frau*, um zu verdeutlichen, d dieser Terminus mit Vorsicht zu genießen ist und spezieller Zusätze bedarf.
Ein Buch, wie „Feminismen heute“ ist bitter nötig, in einer Gesellschaft, die stark vom xeno- und homophoben sowie misogynen Kapitalismus in der neoliberalen Hegemonie geprägt ist. „Feminismen heute“ ist eine dabei eine kritische Analyse der pluralistischen linken Feminismen, die mit der kaleidoskopischen Intention, einem linken Handbuch gleich, das Rüstzeug geben, um im Diskurs Kritik am Bestehenden zu üben.
Yvonne Franke/ Kati Mozygemba/ Kathleen Pöge/ Betina Ritter/ Dagmar Vernohr (Hrsg.): Feminismen heute. Positionen in Theorie und Praxis. Transcript Verlag, Bielefeldt 2014. Taschenbuch, 408 Seiten, 29,99 Euro. Weitere Informationen gibt es unter: http://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-2673-5/feminismen-heute
Philip J. Dingeldey