[Update] Der diskrete Charme des Kadersozialismus?

Die Potemkin Redaktion stand am heutigen Abend vor einer schweren Entscheidung. Soll sie das Dossier veröffentlichen, welches an diesem Wochenende in der Partei – nicht nur in Bayern – für erhebliche Unruhe gesorgt hat. Problematisch ist dies, weil in diesem Papier Handlungsanleitungen dokumentiert werden, um Parteimitglieder politisch und menschlich zu vernichten. Problematisch aber auch, weil der Ursprung dieses Papiers noch leidlich ungeklärt ist. Schon bilden sich die ersten Legenden, an denen sich via facebook auch namhafte Bundestagsabgeordnete des betroffenen Landesverbandes beteiligen. Es beginnt eine Debatte, die denen mit Ausgrenzung droht, die das Dossier an die bürgerliche Presse geleitet haben. Ganz so als würde sich die Wirkung des Papiers selbst erfüllen, ganz gleich wer es nun in die Welt gesetzt hat.

Der reichlich naiven Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass dieses Papier keinen Ursprung aus einem der diversen Machtkonglomerate der Partei innehat, also Teil einer von Außen gesteuerte Kampagne gegen die Linke ist, muss entgegengehalten werden, dass sowohl Sprache als auch der Detailreichtum der gesponnenen Intrigenfäden zumindest den Verdacht aufkommen lassen, dass sich nur wirkliche „Parteifreunde“ in dieser Form bearbeiten.

Der Text ist menschlich ekelerregend, politisch infam und offenbart gleichzeitig mehrere pathologische Störungen des oder der Autoren. Das Problem: Er trifft den Duktus linker Eiferer, den Ton umherirrender Wutlinker und die krude Logik des organisierten Unterdrückungsverlangen gegen Andersdenkende. Wer sich in den zahlreichen Foren einschlägiger Blogs der linken Szene mit Informationen versorgt, der mag sich an den einen oder anderen Teilnehmer solcher bisweilen bizarren Forumsdebatten erinnert fühlen. Vielleicht aber auch an einschlägige Feindlagenbestimmungen diverser K-Gruppen oder einfach nur an den Film „Das Leben der Anderen“.

Zu Glauben, dass Linke so nicht denken, so nicht miteinander umzugehen vermögen, das ist in der Partei schon lange allein der Bundesschiedskommission vorbehalten, die meint in den hässlichen Parteiauseinandersetzungen entscheiden zu können, welcher Hassausbruch gerade justiziabel ist und welcher nicht. Ganz gleich wer sich am Ende als Urheber herausstellt. Viele Menschen, viele Wähler können sich schon sehr lange vorstellen, dass Linke genauso miteinander umgehen. Allein dies drückt vielmehr über die Krise der Partei aus als sinkende Umfragewerte oder verlorene Wahlen.
(jpsb/mb)

Anmerkung der Redaktion:
Der Text ist nur dort gekürzt, wo Veröffentlichungsinhalte die Persönlichkeitsrechte der Opfer dieses Dossiers verletzt hätten. Wir hoffen mit der Veröffentlichung eine gleichberechtigte Debatte aller Parteimitglieder zu ermöglichen.
Analyse der Gegenkräfte im Landesverband Bayern
Aus Rücksicht auf die im Original des Dossiers genannten Genossen, haben wir die Datei durch eine wortgenaue Abschrift ersetzt. In dieser sind lediglich Namen geschwärzt bzw personifizierte Informationen ausgelassen. Hiermit wollen wir lediglich die betroffenen Genossen schützen.
Das Dossier wurde der POTEMKIN-Redaktion von Seiten eines Betroffenen zugespielt, der den Text vertraulich in seiner Rolle als direkt Betroffener der dokumentierten Diffamierungen erhalten hat. Die Weitergabe geschah ausschließlich und ausdrücklich in eigener Verantwortung und nicht auf Anraten Dritter.


Dazu auch:
DIE LINKE Bayern – umfassende strukturelle Reformen gefordert Erklärung der Linksjugend ’solid in Bayern
Wie Gegner von Klaus Ernst mundtot gemacht werden sollen aus der Mainpost vom 22.1.2012

Avatar-Foto
Manuel Böhm

Jahrgang 1970. Lebt seit Oktober 2024 auf Malta, davor in Göttingen, Hannover und Berlin. Bis 2005 Mitglied der SPD. Danach Eintritt in die WASG, dort Mitglied des Kreisvorstandes bis 2006. Mitarbeit im Bündnis für Soziale Gerechtigkeit zur Kommunalwahl 2006 als breite linke Alternative zum PDS-dominierten Linksbündnis. Nach Gründung der LINKEN in 2007 Übernahme von Funktionen auf Ebene seiner Basisorganisation. Austritt aus der Partei Die Linke mit seinem Wegzug aus der Bundesrepublik.

Artikel: 724

11 Kommentare

  1. Ob die o.g Personen nun dem einen der dem anderen „Lager“ angehören muss vielleicht garnicht wichtig sein, aber es sind alles Personen mit Einfluss und in höheren Positionen, so erscheint es mir zumindest.
    Ich weiss nicht wer die Personen aus dem bayrischen Landesverband sind, welche hier angegriffen wurden, aber vielleicht stammen auch sie nicht aus den selben „Lagern“?
    Und Menschen können, egal aus welchen „Lagern“ sie stammen oder zu welchen man sie zumindest zuordnet, Ideen und Gedanken haben, die den ein oder anderen, „Lagerunabhängig“, das fürchten lehren o.Ä.

  2. glauben heisst nicht wissen. momentan wird im zusammenhang mit diesem papier sehr viel geglaubt und vermutet. und daraus werden dann schon konkrete handlungen abgeleitet. es wäre an der zeit den vorgang ohne glauben aufzuklären.

  3. „Die Gegenkräfte müssen zu grundsätzlichen Feinden der Programmatik stilisiert werden. Das isoliert sie auch außerhalb des Landesverbandes. Sie dürfen keine engeren Kontakte zu folgenden Personen aufbauen: Ramelow, Bartsch, Bockhahn, Sharma, Wawzyniak, Enkelmann, van Aken, Gysi, Bisky, Lay, Jelpke, Brombacher, Leidig, Lösing, Korschewsky. Ggf. müssen sie gegenüber Reformern als unpolitische Verrückte und gegenüber Verbündeten als Reformer dargestellt werden.“

    Wobei ich glaube der Brief stammt von der Gruppe Roter Herring.

  4. wobei sich mir nicht erschliesst, wo diese genannten als „anti-reformer“ oder „reformer“ oder sonst einer gruppe angehörig verortet worden sind.

  5. Vor allem die Vorstellung Ramelow, Bartsch, Bockhahn, Sharma, Wawzyniak, Enkelmann, van Aken, Gysi, Bisky, Lay, Jelpke, Brombacher, Leidig, Lösing und Korschewsky wären alles Anti-Reformer ist einfach nur abenteuerlich. Der Autor dieses Pamphlets ist einfach nur saudumm oder versucht unter falscher Flagge zu segeln.

  6. Dieses Papier zeichnet sich vor allem durch das Fehlen jeglicher politischer Analyse aus. Die einzige Standortbestimmung ist „Gegenkräfte“ und „treue Kräfte“. Eigene Interessen, eigene Ziele? Politische Unterschiede zum vermeintlichen Gegner? Nix, nada. Nur machtpolitisches Geblubber.

    Und wer meint Bartsch, Wawzyniak, van Aken, Gysi, Bisky, Jelpke und Lötsch wären gar im selbem Lager verortet (Alles „treue“ Kräfte und „Reformer“, oder was?), der hat keine Ahnung von der Bundes-LINKEN.

  7. das werden sie auch nicht finden, da genau solche teile des textes rückschlüsse auf tatsächliche personen zulassen.

  8. „Aus Rücksicht auf die im Original des Dossiers genannten Genossen, haben wir die Datei durch eine wortgenaue Abschrift ersetzt. In dieser sind lediglich Namen geschwärzt bzw personifizierte Informationen ausgelassen. Hiermit wollen wir lediglich die betroffenen Genossen schützen.“

    Hatte der Text nicht 4 Seiten? Ein wenig Namen schwärzen kürzt doch keine ganze Seite weg.
    Die Textpassage „Über andere Aktivisten im bayerischen Landesverband der Linken heißt es, man müsse sich ihre Krankheiten zunutze machen, sie isolieren, öffentlich lächerlich machen, ihr Privatleben skandalisieren oder ihre „ausländische Herkunft immer wieder in Erinnerung rufen“. die die SZ zitiert,kann ich im vorliegenden Dokument nicht finden.

  9. „Spontan waren mein erster Gedanke, ich mag nicht mehr in so einer Partei als Mandatsträgerin sein. Der zweite Gedanke war , wieso denke ich das komme zu der Einstellung jetzt erst recht dabei bleiben.“

    Das ist die typische Floskel der Verblendeten. Wer von Euch tritt denn in die NPD ein, um die zu verändern? Na also. Je blöder die Partei wird, um so mehr engagierte Leute braucht sie, oder was? Eine krudere Logik habe ich noch nicht erlebt!

  10. Meine erste Reaktion war, was soll das denn. Daß das Dossier veröffentlicht wurde ist unangenehm aber richtig. Denn das Problem ist nicht die Veröffentlichung sondern die Existenz des Papiers zu wessem Zweck es von Wem erstellt wurde. Dies sollte erst mal geklärt werden.
    Spontan waren mein erster Gedanke, ich mag nicht mehr in so einer Partei als Mandatsträgerin sein. Der zweite Gedanke war , wieso denke ich das komme zu der Einstellung jetzt erst recht dabei bleiben.
    Ich erwarte vom Landesvorstand, daß er umgehend Anstrengungen unternimmt zu klären woher das Papier stammt und dann entsprechende Maßnahmen ergreift.
    Ingeborg Vollmar
    Bezirksrätin in Schwaben

  11. Fakt ist: Das hätte jeder schreiben können. Ein typisches Insubordinationspapier, wie man es schon x Mal gelesen hat. In der Linkspartei zudem nicht gerade selten.

Die Kommentare sind geschlossen.