Eigentlich sollte es zum guten Ton des Tagesgeschäftes unter Medienschaffenden gehören, sich nicht über Gebühr mit der Kritik an anderen Medien zu beschäftigen. Die journalistische Aufbereitung der Vorgänge um die Entlassung eines Mitarbeiters der Partei Die Linke in der Zeitung „Neues Deutschland“ sollte allerdings Anlass genug sein, um diese guten Vorsätze für einen Moment hinten anzustellen. Was die ehemalige SED-Parteizeitung hier unter der tendenziösen Überschrift „LINKE-Reformer attackieren Diether Dehm“ abgeliefert hat, lässt dann doch zu sehr den Ungeist durchscheinen, den man seit dem Untergang der DDR bereits überwunden glaubte.
Es ist für viele Leser des Artikels leicht zu durchschauen, dass es hier rein gar nicht um die Information über einen Vorgang und den vorher und nachher geführten Streit innerhalb der Linken geht. Einziger Zweck des Textes scheint zu sein, nicht nur die betreffende Person innerparteilich maximal zu diskreditieren, sondern gleich eine bestimmte unliebsame Richtung in der Partei in ein schlechtes Licht zu rücken. Was wie eine klassische Auftragsarbeit im Interesse bestimmter einflussreicher Teile der Partei und der beiden Parteivorsitzenden aussieht, dürfte tatsächlich auch eine solche sein.
Anders wäre es nicht zu erklären, dass eine Zeitung tatsächlich den vollen Namen eines gekündigten Arbeitnehmers, der sich wohl auch noch in einem Rechtsstreit befindet, im gesamten Artikel benutzt. Eine Person des öffentlichen Lebens, so gerne ihn seine Freunde und Feinde auch aus unterschiedlichen Interessen dazu überhöhen, dürfte dieser Genosse zumindest bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht gewesen sein. Dass man dann auch noch Details einfliessen lässt, die rein gar nichts mit dem Vorgang an sich, aber viel mit der Schaffung einer bestimmten Stimmung, zu tun haben, ist klassisches Handwerkszeug der journalistischen Diskreditierungsschule.
In den letzten 20 Jahren konnte man sicher, so Andrej Hermlin in einem Kommentar, noch schlimmere Artikel im ND lesen. Das entschuldigt oder relativiert allerdings nicht, dass das ND mit diesem Artikel eine selbstgesteckte Grenze überschritten haben dürfte, die die Zeitung bislang davor bewahrte wieder als das wahrgenommen zu werden, was sie einst war. In bester Tradition der Jahre vor 89 hat das ND damit gezeigt, dass es trotz aller Emanzipation und Demokratisierung immer noch in der Lage ist die politische Stimmung in der Partei in die vom Parteivorstand gewünschte Richtung zu lenken. Und damit Politik auch gegen eigene Genossen zu machen.
Dass nun auch die Kommentarfunktion, vom Geschäftsführer der Zeitung, für geschlossen erklärt wurde, ist nur noch der fehlende Baustein eines unerfreulichen Bildes. Immerhin konnte man hier „Stimmen aus Volk und Parteikörper“ den notwendigen Raum geben, noch einige weitere Details zur Demontage der „Reformer“ oder des Gekündigten beizusteuern. So hat es auch nicht gestört, dass in den Kommentaren über weitere gewichtige, aber geheime Gründe fabuliert wurde, die die Parteivorsitzenden zu diesem dringend notwendigen ersten Schritt im Kampf gegen den Reformismus veranlasst haben. Äusserte man sich aber kritisch im Bezug auf den Artikel, die Kommentare und den gesamten Vorgang, wurde man sofort in durchaus rüdem Ton zurecht gewiesen.
Mit der Ernennung Strohschneiders zum Chefredakteur war eigentlich die Hoffnung verknüpft, dass sich mit ihm, als bekannt unabhängiger linker Blogger, Buchautor und Journalist, die Umbauphase des ND vom Parteiblatt zu einer demokratisch-sozialistischen und vor allem pluralistischen Tageszeitung ihrem positiven Ende nähert. Und das ND (s)einen Platz als das linke Medium, nicht nur für Die Linke, in der deutschen Presselandschaft dauerhaft einnehmen kann. Mit dem Artikel vom Dienstag wurde diese Entwicklung ein beachtliches – und bedauernswertes – Stück zurück geworfen. Wie das „Neue Deutschland“, sein Chefredakteur und auch die Partei damit umgehen, wird vieles über die weitere Zukunft linker Medien und Politik aussagen. In die eine oder andere Richtung.
(mb)
Das nd war auf einem erfrischend unabhängigen Weg. Oft waren/sind hier Themen in einer Art und Weise behandelt die von verschiedenen Seiten beleuchtet gute Informationen liefern. Allerdings strahlt die Verpackung oft noch einige Ostalgie aus. Im Gegensatz übrigens zur jw. Modern gemacht, erschreckend Destruktiv der Inhalt. Dass viele Westlinke dieses schlecht gemachte Retroblatt mögen habe ich noch nie so recht verstanden.
Die Berichterstattung zur Kündigung war allerdings eine Katastrophe. Getoppt durch den Umgang mit dem dazugehörigen Blog. Da wurden satirische Bemerkungen vom Moderator gerüffelt und als endlich einmal eine Diskussion entstand der ganze Blog geschlossen.
Ich hoffe, dass dies zu Diskussionen im nd-Team führt und dem Blatt einen weiteren Schub gibt, solches Denken endgültig zu überwinden und zu einer dauerhaft guten Tageszeitung für linke Menschen zu werden.
Ah, danke für die Aufklarung. jetzt weiss ich wie ich sie einordnen muss, als Ziofaschofans und Antideutscher Blog 😉
Herr Böhm, um was ging es Ihnen primär? ND-Bashing ohne Fakten?
Hat diese Zeitung Majestätsbeleidigung an Mark Seibert, seiner Strömung (was immer das/die/was sein soll) oder wem auch immer begangen?
Und dies nur durch die bloße Darstellung von Ereignisses?
Ihre Vorstellung und Ihr Verständnis von Pressefreiheit erahne ich mittlerweile.
Na, dann übermorgen alles scharf machen: Soli-Fete, die olle Domain wieder rauskramen und los geht es.
Tja, mit dem Arbeitsrecht und Arbeitskämpfen hatten es die „Aushilfsstalinisten“, wenn sie Arbeitgeber waren, noch nie so wirklich. Ich erinnere an den „UGO-PUTSCH“1949 oder den Streik der Reichsbahner 1980 im damaligen West Berlin. Willkürliche, auch fristlose Kündigungen und der Sturm auf von Streikenden besetzte Stellwerke durch West Berliner SEW Mitglieder, damit wenigstens die Transitzüge wieder rollten, die S-Bahn lag der Reichsbahn bzw. der Partei -und Staatsführung nur aus Statusgründen am Herzen. Nicht zuletzt auch durch den bescheuerten S-Bahnboykott in Westen. „Du bezahlst den Stacheldraht für Ulbricht!“ Was natürlich Blödsinn, aber eingängig war. Nicht wirklich schön das alles. Nur musste es die Reichsbahner im Westen ausbaden- zumindest bis die BVG im Februar 84 den maroden S-Bahnladen übernahm. Und dies eher widerwillig, wie das folgende lahme Instandsetzungstempo zeigte.
Genau so sieht es aus mb. Nimmt der Arbeitnehmer die außerordentliche Kündigung ohne Murren und Klagen an gibts von Seiten der Arbeitsagentur erstmal eine 12wöchige Sperrfrist während der der Gekündigte keine Leistungen erhält. Das gleiche passiert wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben.
Als Abonnent der Wochenendausgabe habe ich schon den Eindruck, dass das nd- auch bei den Leserbriefen- die alte Klientel bedient. Ist für mich als gelernter Bundesbürger durchaus interessant, auch weil in Bezug auf Afghanistan heute eine entgegengesetzte Argumentation zu 1979 ff. benutzt wird. wobei ich damals in der ersten Zeit der Argumentation der Einmarschbefürworter näher stand als heute. Obwohl sich die Argumente damals und heute z. T. ja sehr ähneln. Sie haben nur die Seite gewechselt. Immerhin schien das religiöse, frauenfeindliche Mittelalter besiegt. Leider war dem weder 1979 ff, noch 2001 ff. so.
da sie ohnehin 1.) alles besser wissen und es 2.) in meinem kommentar gar nicht primär um diese details geht, beende ich von meiner seite diese fruchtlose diskussion.
Es bleibt Ihr Geheimnis, wie Sie aus einer außergerichtlichen Einigung eine Kündigungsschutzklage machen können und dann noch einen Bezug zur Arbeitsagentur herstellen können. Mark Seibert ist weiterhin gut bezahlter Büroleiter des MdB Raja Sharma.
@hans-georg
Das ND hat mittlerweile eher eine Trennung zwischen Online-Auftritt und Printausgabe. Das ist sehr schön an den inhaltlich völlig gegensätzlichen Artikeln (Online/Print) zum Tode Chavez zu sehen. Ich schließe mich ihrer Meinung an, dass das ND im Printbereich durchaus ihr alt gewordene Leserschaft bedienen möchte.
zum punkt „rechtsstreit“ nach dem hier gefragt wurde. bei einer fristlosen kündigung durch den arbeitgeber ist es die regel – und wird von der arbeitsagentur auch gefordert – dass der betroffene arbeitnehmer eine kündigungsschutzklage anstrengt. selbst im nd wird eine anonyme sprecherin der partei zitiert, dass anwälte beider seiten an einer aussergerichtlichen einigung arbeiten.
Zitat: “ Eigentlich sollte es zum guten Ton des Tagesgeschäftes unter Medienschaffenden gehören, sich nicht über Gebühr mit der Kritik an anderen Medien zu beschäftigen.“
Werte Macher der „Zeitschrift“ Potemkin. Dieser Satz da oben, also diese Aussage, kommt ausgerechnet von Ihnen? Ich hatte immer irgendwie den Eindruck das Sie sich an der Jungen Welt abarbeiten. Waren Sie es nicht sogar die einen Aufruf starteten der Jungen Welt irgendwelche Privilegien abzuerkennen und das „Drecksblatt“ zu boykottieren? Sicherlich irre ich mich.
Das ND paßt sich seiner Stammleserschaft an. Bei dieser Altersgruppe gilt Kritik an der Parteiobrigkeit heute noch geradezu als Gotteslästerung. Und „die“ Partei hat sowieso immer Recht. Die Zeitung wird sich darauf beschränken ihre Stammleser zu behalten. Neue bekommt das ND ohnehin kaum noch.
…Ja, wir schreiben was uns passt und nicht das was Riexinger, Kipping oder Typen mit albernen Pseudonymen passt…
Das Ersprochene des Mark Seibert hat mensch an mehreren Ecken in Facebook aufwischen müssen. Deshalb sind die „geheimen Kündigungsgründe“ nur für den Autor dieses Tendenzartikels geheim. Weil er keine Ahnung hat. Offensichtlich weder, wie Journalisten recherchieren, noch wie mensch auseinander hält, was ein Bericht ist und was ein Kommentar und schon gar nicht von den Fakten.
Der ND-Artikel enthält gar keine Wertungen, schon gar keine, die eine unliebsame Strömung ins schlechte Licht rückt.
Wenn ein Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle einen Spitzenkandidaten, eines Landesverband und weitere Spitzenfunktionäre öffentlich angreift, dann kann er nicht mehr darüber bestimmen, dass die Reaktionen nicht mehr öffentlich sind.
Gut auch, von einem Rechtsstreit zu schwadronieren: Da wäre ja mal diese Zeitschrift gefragt: Woher habt ihr das? Liegt Euch eine Klage vor? Oder schreibt ihr einfach, was Euch passt?