Um einer wahrscheinlichen Abstimmungsniederlage im Ringen um die Präambel des Europawahlprogramms zu entgehen, rückt die Partei- und Fraktionsvize der Linken, Sahra Wagenknecht, noch weiter von den kritisierten Passagen ab. Am heutigen Mittwoch erklärte sie vor der Presse in Berlin, dass der Parteitag in Hamburg die Passage „mit Sicherheit“ verändern werde. Auch sei gerade der umstrittene Begriff „militaristisch“, mit dem im vorliegenden Entwurf die Politik der EU beschrieben wird, nicht „ihre Sprache“. Die gesamte kritisierte Textstelle sei mithin gar nicht von ihr formuliert worden.

Nachdem nun wohl das Reformlager einen eigenen Entwurf für eine neue Präambel einbringen wird und dieser Vorstoss von zahlreichen Funktionären aus Ost und West und Fraktionschef Gysi unterstützt wird, plädiert Wagenknecht dafür, dass aus allen Vorlagen ein Kompromisspapier entwickelt werden sollte. Ob dies schon auf der Parteivorstandssitzung am 8. Februar oder erst auf dem Parteitag selber geschehen könnte, ist noch offen. Wagenknecht ist sich aber sicher, dass man in Hamburg zu einem „gemeinsamen Text“ finde. Denn in der Kritik an der EU sei sich die Partei weitgehend einig.

Angesichts der jetzt bekannt gewordenen Überlegungen der ostdeutschen Landesvorsitzenden, die zusammen mit Gysi eine von reformbereiten Kandidaten dominierte Liste für die Europawahl planen, warnt Wagenknecht davor „mit knappen Mehrheiten irgendwelche Dinge durchzustimmen“. Stattdessen warb sie für einen „Geist der Gemeinsamkeit und des Kompromisses“, denn ein Grossteil der Mitglieder wolle eine „gesamtdeutsche Linke“ und ausdrücklich kein „Zurück zur PDS“. Damit spielt sie auf die Mehrheit der ostdeutschen Delegierten des Parteitages an, die mutmasslich den Personalvorschlägen Gysis und ihrer Landesvorsitzenden folgen würden. Und damit nicht nur den radikaleren, westdeutschen Flügel der Partei, sondern vor allem auch Wagenknecht bei der Aufstellung der Liste düpieren könnten.

Immerhin sollen nach den Plänen des Reformflügels mit Tobias Pflüger und Fabio De Masi, die sich beide für den Wahlvorschlag des Bundesausschuss durchsetzen konnten, zwei enge Vertraute Wagenknechts ihren sicheren Listenplatz an zwei ostdeutsche Reformer verlieren. Für Wagenknecht wäre dies eine weitere persönliche und politische Niederlage auf ihrem Weg an die Spitze von Partei und Fraktion. Bereits bei der Wahl zum Fraktionsvorsitz konnte sie sich nicht gegen Gysi und die Reformer in der Fraktion durchsetzen und musste mit dem Posten der Ersten Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden vorlieb nehmen. Sollte ihr Personalvorschlag angesichts der Mehrheitsverhältnisse in Hamburg durchfallen, dürfte sich Wagenknecht nur noch geringe Chancen auf eine hochrangige Funktion im neuen im Sommer zu wählenden Parteivorstand ausrechnen können.
(mb)

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Manuel Böhm

Jahrgang 1970. Lebt seit Oktober 2024 auf Malta, davor in Göttingen, Hannover und Berlin. Bis 2005 Mitglied der SPD. Danach Eintritt in die WASG, dort Mitglied des Kreisvorstandes bis 2006. Mitarbeit im Bündnis für Soziale Gerechtigkeit zur Kommunalwahl 2006 als breite linke Alternative zum PDS-dominierten Linksbündnis. Nach Gründung der LINKEN in 2007 Übernahme von Funktionen auf Ebene seiner Basisorganisation. Austritt aus der Partei Die Linke mit seinem Wegzug aus der Bundesrepublik.

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2 Kommentare

  1. Minderheitenschutz nach „linker“ Lesart:
    Wenn man die Mehrheit hat, wird durchgewählt, denn „Mehrheit ist Mehrheit“. In der Minderheit pocht man dann auf Minderheitenschutz (Vereinigte gesamtdeutsche Linke & Blablabla …..).
    Dabei geht es doch eigentlich nur um Pfründe. Denn: Wieviel Gewicht haben 2 MandatsträgerInnen bei 750 EU-Abgeordneten ?

  2. … etwas anderes bleibt Ihr doch gar nicht übrig, wenn Sie zukünftig weiterhin eine „tragende Rolle“ innerhalb der Partei spielen will….
    Festzustellen ist jedoch die hohe Wandllungsfähigkeit der S.W., von der Chefin der kommunistischen Plattform bis zu ihrer derzeit etwas „unfaßbaren Funkitonaltät „

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