Positive Töne: „Europa geht anders. Sozial, friedlich, demokratisch.“

Unterstützt von zahlreichen Linken aus Ost und West, darunter die Europaabgeordneten Gabi Zimmer, Thomas Händel, Martina Michels, Cornelia Ernst, Helmut Scholz, Jürgen Klute und die Landesvorstände von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen, liegt seit dem heutigen Tag ein Ersetzungsantrag für die heftig umstrittene Präambel des Europawahlprogrammes der Partei Die Linke vor. Darin wird gefordert, die Europäische Union zu einer wirklichen Solidargemeinschaft zu entwickeln und das Wohl aller Europäer in den Mittelpunkt zu stellen.

Kritisch bemerkt man, dass „viele Menschen ihre Interessen in der Europäischen Union nicht gewahrt“ sehen und damit „die EU von einer Hoffnung zu einer Bedrohung“ für sie wurde. Nationalstaatlichen Alleingängen erteilt man trotzdem eine klare Absage, denn: „Die Alternative ist nicht der Rückzug aus der Union, sondern der Kampf um ihre Veränderung.“ In sieben Punkten erläutert der Entwurf daher die positiven Ziele der Linken, die sie in einem gestärkten Europaparlament zusammen mit ihren europäischen Bündnispartnern umsetzen will.

Ob dieser Text tatsächlich die Präambel des Wahlprogrammes werden wird, dürften erst die Delegierten auf dem kommenden Parteitag in Hamburg entscheiden. Zwar liegt er auch schon dem Parteivorstand für seine Sitzung am 8. Februar vor. Man geht aber davon aus, dass sich der Vorstand noch nicht auf einen Kompromiss unter Einbeziehung des nun vorliegenden Antrages wird einigen können. Zumal noch der Alternativentwurf eines Wahlprogrammes von Dieter Dehm und Wolfgang Gehrcke vorliegt und die Delegierten auch über zahlreiche Änderungsanträge für den eigentlichen Programmtext zu entscheiden haben. Gerade Letzteres könnte durchaus zu inhaltlichen Differenzen zwischen der angedachten neuen Präambel und den programmatischen Details führen und dem Parteitag damit hitzige Debatten bescheren.
(mb)

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Manuel Böhm

Jahrgang 1970. Lebt seit Oktober 2024 auf Malta, davor in Göttingen, Hannover und Berlin. Bis 2005 Mitglied der SPD. Danach Eintritt in die WASG, dort Mitglied des Kreisvorstandes bis 2006. Mitarbeit im Bündnis für Soziale Gerechtigkeit zur Kommunalwahl 2006 als breite linke Alternative zum PDS-dominierten Linksbündnis. Nach Gründung der LINKEN in 2007 Übernahme von Funktionen auf Ebene seiner Basisorganisation. Austritt aus der Partei Die Linke mit seinem Wegzug aus der Bundesrepublik.

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2 Kommentare

  1. … es ist eben schwer sich (letztlich) in Frage zu stellen…und offene Diskussionen zuzulassen…sicher gäbe es allerdings einen Erkenntnisgewinn…!.

  2. Hinter diesen unterschiedlichen Programmen stehen doch unterschiedliche Einschätzungen der Europäischen Währungsunion. Diese wiederum sind darauf zurückzuführen, dass es innerhalb der Linken (im weiten Sinn) und der Linkspartei unterschiedliche Kapitalismustheorien und darauf aufbauende Zeitdiagnosen gibt. Warum wird nicht versucht, diese Differenzen einmal ganz offen zu diskutieren? In letzter Konsequenz hängt ein Teil der politischen Linken noch an einer Vorstellung von Kapitalismus, wie sie Lenin mit seiner Broschüre zum Imperialismus (in Lenin-Werke Bd.22) zu popularisieren versucht hat. Andere haben bei ihrer Zeitdiagnose nicht mehr Lenin, sondern Antonio Gramsci oder Nicos Poulantzas im Kopf und reden dann von „neoliberaler Hegemonie“ oder „autoritären Wettbewerbsetatismus“. Warum wird nicht offen darüber diskutiert, wie zeitgemäß und realitätstauglich solche Konstruktionen aus den Köpfern der Beobachter noch sind? Solche phantastischen Erzählungen bestimmen aber das Denken der wichtigen Ideologen dieser Partei und ihres sozialwissenschaftlichen Umfelds. Sie zu entschlüsseln und dadurch in Frage zu stellen, ist eine wichtige Aufgabe einer marxistisch orientierten Ideologiekritik. Warum kritisiert also die Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht den in ihren eigenen Reihen grassierenden Neogramscianismus oder ihre Verehrung für die Namensgeberin der Stiftung? Obwohl letztere für den „linken“ Nationalismus bestimmter Gruppen in der Linkspartei nur Spott und Häme übrig hätte, hatte sie doch schon 1900ff. den Nationalismus in der frühen Arbeiterbewegung kritisiert.

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